Modelprojekt Harburg Dekolonisieren
14. Juni 2024
Von: Sonia Octavio
Fachpromotorin Dekolonisierung

Auf dem Bild ist das Phönix Gebäude in Hamburg-Harburg zu sehen. Hart- und Weichgummi aus der Produktion der HGK, von Traun & Söhne, der NYH oder der ebenfalls 1856 gegründeten Fabrik der Gebrüder Cohen in Harburg, den späteren Phoenix-Gummi-Werken Hamburg-Harburg, waren essentiell für Hamburgs Industrialisierung. Naturkautschuk, der Rohstoff für die Gummi-Industrie, kam aus Wildsammlungen und nach der Jahrhundertwende zunehmend aus der Plantagenwirtschaft auf den Markt.
Historischer Kontext
Hamburg-Harburg hat eine lange Geschichte als wichtiger Hafen- und Handelsstandort, der auch in der Kolonialzeit eine bedeutende Rolle spielte. Während des Zeitalters des Kolonialismus im 19. und frühen 20. Jahrhundert war Hamburg-Harburg ein wichtiger Umschlagplatz für Waren aus den deutschen Kolonien.
Um 1890 wurde in den Palmkernölfabriken in Harburg mehr als ein Drittel der gesamten nach Europa importierten Palmkerne verarbeitet. In den spezialisierten Fabriken in Harburg landete um 1900 zeitweise der Großteil der eingeführten Rohstoffe aus den deutschen Kolonien des Reiches: Neben Palmöl und Palmkernen wurden vor allem Kokosnussöl und Kopra sowie Kautschuk und Guttapercha verarbeitet.
Auf dem Weg zur Aufarbeitung des kolonialen Erbes in Harburg
Die spezielle Rolle Harburgs während der Zeit des europäischen Kolonialismus ist bisher nur begrenzt bekannt unter den Einwohner:innen von Harburg und darüber hinaus. Im Jahr 2021 wurde von der Bezirksversammlung Harburg ein gemeinsamer Antrag der SPD- und GRÜNE-Fraktion genehmigt, um ein Konzept für die Entwicklung eines Mahnmals zum kolonialen Erbe in Harburg zu erstellen (siehe Drucksache Nr. 21-1345). Das Ziel besteht darin, ein „Mahnmal“ zu errichten, das die Auseinandersetzung mit diesem Teil der Vergangenheit von Harburg fördert, um eine dekolonisierung Erinnerung und Gedenken zu ermöglichen. In dem vielfältigen Stadtteil Harburg ist es besonders wichtig, sich auch mit den rassistischen Ursprüngen des Kolonialismus auseinanderzusetzen. Anfang Mai 2023 fand mit dem Bezirksamt Hamburg-Harburg eine Auftaktveranstaltung mit mehreren Akteuren*innen der Dekolonisierung-Szene statt. Das Projekt sollte aus einem vielschichtigen, partizipativen und mehrstufigen Prozess bestehen, der sowohl die Erstellung als auch die Entwicklung der Inhalte für das Konzept umfasst. Dabei dient das Wort „Mahnmal“ lediglich als Platzhalter Begriff für einen Erinnerungsort. Es sollten künstlerisch-didaktische Interventionen und Vermittlung Formate an der Schnittstelle von Kunst, Kultur, Wissenschaft, Politik und Bildungsarbeit vereint werden, um eine aktive Geschichtsvermittlung zu ermöglichen. Dabei wurden Fragen zur Nachhaltigkeit, Zugänglichkeit, Barrierefreiheit und finanziellen Ressourcen berücksichtigt. Die Begleitgruppe, Den Werkstätten sowie Auftakttreffen und Zusammenführung/Evaluation waren wichtige Bestandteile des Projekts. Die Denkwerkstätten wurden in Form von Workshops durchgeführt, mit einem Auftakttreffen zur Einführung und einer Zusammenführung/Evaluation am Ende. Es wurden insgesamt drei thematische Den Werkstätten geplant, mit folgenden Leitfragen:
- Denkwerkstatt (II): Verflechtungsgeschichte(n) (‚entangled histories‘). Lokales Wissen und globale Handelsnetzwerke im Harburger Hafen
- Denkwerkstatt (III): Wer spricht und wer ist sichtbar? Den Menschen, den Waren, dem Wissen, den Widerständen und den Netzwerken folgen.
- Denkwerkstatt (IV): Wie vor Ort nachhaltig informieren, erinnern, intervenieren? Wissenschaftliche, künstlerische und didaktische Strategien der Kontextualisierung, Dekolonisierung und Geschichtsvermittlung
Die Begleitgruppe setzt sich aus verschiedenen Experten aus den Bereichen Kunst, Kultur, Wissenschaft, Politik und Bildungsarbeit zusammen. Diese Gruppe hat über die Ziele der Workshops gesprochen und die Struktur sowie die Themen kritisch bewertet.
Ergebnisse und nächstes Vorgehen für die Dekolonisierung in Harburg
In den Denk Werkstätten wurden wichtige Ergebnisse zusammengetragen, die entscheidende Aspekte für die Dekolonisierung in Harburg beleuchten. Ein zentraler Punkt ist die Behandlung der Dekolonisierung als Querschnittsthema mit verschiedenen Perspektiven. Es ist entscheidend, dass die Prozesse sowohl im Verlauf als auch im Ergebnis vielfältig und vielstimmig sind. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung unterschiedlicher, niedrigschwelliger Darstellungsformate im öffentlichen Raum, um ein breites Publikum anzusprechen und zu sensibilisieren. Zudem wird eine nachhaltige finanzielle Absicherung als essentiell erachtet, um langfristige Projekte zur Dekolonisierung zu ermöglichen. Die Verantwortung lokaler Institutionen und Personen spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle. Des Weiteren wurde diskutiert, wie ein Erinnerungsort gestaltet werden kann und ob dieser zentral oder dezentral angelegt sein sollte. Dabei wird auch der Stellenwert von Erfahrungswissen Betroffener im Vergleich zu historisch-archivalischer Forschung und akademischem Wissen berücksichtigt.
Dieses Projekt markiert einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe in Harburg und zeigt das Engagement verschiedener Akteur*innen für eine dekolonisierte Erinnerungskultur in der Stadt. Es bleibt spannend zu verfolgen, wie sich das Konzept weiterentwickeln wird und welche Impulse es für zukünftige Diskussionen über Geschichte und Identität setzen wird.
Für weitere Informationen kontaktiert gerne das Projektteam unter: dekolonisierung@harburg.hamburg.de
Quellen:
afrika-hamburg.de afrika-harburg, aufgerufen 04.06.2024
Dekolonisierung in Harburg - hamburg.de, aufgerufen 06.06.2024