Der sogenannte "Tansania-Park"
28. Juni 2024
Von: Emma Dittler
Masterstudentin Politikwissenschaften und Geschichte
Der Tansania-Park ist die inoffizielle Bezeichnung einer Denkmalanlage in Hamburg-Jenfeld, die Ehrenmale und Skulpturen aus der deutschen Kolonialgeschichte präsentiert. Diese wurde 2003 von dem privat initiierten Kulturkreis Jenfeld auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne geschaffen
Der deutsche Kolonialismus und die deutsche Erinnerungskultur
Vor 140 Jahren, im Jahr 1884, trafen sich auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck diplomatische Vertreter diverser europäischer Mächte sowie Delegierte aus den USA und dem Osmanischen Reich zur Berliner Afrika-Konferenz. Obwohl der sogenannte „Wettlauf um Afrika“ zu dieser Zeit bereits in vollem Gange war, stellt diese Konferenz eine bedeutende Etappe bei der Konsolidierung des Kolonialismus auf dem afrikanischen Kontinent dar. Die Tatsache, dass sich diese historische Konferenz dieses Jahr zum 140. Mal jährt, bietet eine geeignete Gelegenheit, sich kritisch mit dem deutschen Kolonialismus und dessen Erbe auseinanderzusetzen sowie Deutschlands erinnerungspolitischen Umgang mit seiner kolonialen Vergangenheit zu reflektieren.
Der deutsche Kolonialismus war keine kurze und im Vergleich zu anderen europäischen Kolonialmächten harmlose Episode, wie immer noch gern behauptet wird. Zwischen 1884-1919 erwarb Deutschland vier Kolonien in Afrika (Deutsch-Südwestafrika, Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika) sowie Kolonien in Ozeanien und China. Die als „Schutzgebiete“ bezeichneten deutschen Kolonien waren sechsmal größer als das Deutsche Reich und 25.000 Deutsche herrschten über 12 Millionen Kolonisierte. Die deutsche Kolonialgeschichte ist eine Geschichte von Gewalt, Unterdrückung und Ausbeutung. Während der 30 Jahre kolonialer Fremdherrschaft kämpfte das deutsche Militär erbarmungslos gegen antikoloniale Bewegungen der indigenen Bevölkerungen. Zu den größten deutschen Kolonialverbrechen zählen die Niederschlagung des sogenannten „Boxeraufstandes“ in China, der Vernichtungskrieg gegen die widerständige Bevölkerung im Zuge des Maji-Maji-Aufstands in Deutsch-Ostafrika, sowie der Genozid an den Ovaherero und Nama in Deutsch-Südwestafrika.
Der brutale und traumatisierende deutsche Kolonialismus markiert eine bedeutsame Phase in der Entwicklung eines aggressiven deutschen Nationalismus, der letztendlich zu einer Vernichtungspolitik führte und in zwei Weltkriegen mündete. Trotz der zahlreichenden Gräueltaten und weitreichenden Konsequenzen der deutschen Kolonialherrschaft wurde diese Periode weitgehend aus dem nationalen Gedächtnis verdrängt und spielt bis heute eine höchstens untergeordnete Rolle im kollektiven Bewusstsein. In der Wissenschaft wird hier häufig von einer vorherrschenden „kolonialen Amnesie“ gesprochen. Der Historiker Joachim Zeller betont, dass Erinnerungskultur sich stets in einem „Spannungsfeld zwischen Erinnern und Vergessen“ bewege. Er beschreibt die kollektive Erinnerungspraxis eines Landes als einen sich ständig verändernden Prozess, der von fortwährenden Aushandlungsprozessen geprägt ist. Öffentliche Erinnerung ist umkämpft, da Staaten, Parteien oder Gruppen stets versuchen, ihr eigenes Welt- und Geschichtsbild durchzusetzen.
Der viel zitierte Ausspruch von William Faulkner: „Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen“, verdeutlicht, dass die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus nicht allein die Aufgabe von Historiker*innen sein darf, denn die Spuren des Kolonialismus wirken bis in die Gegenwart fort. Die deutsche Gesellschaft ist eine postkoloniale Gesellschaft und muss sich dieser Verantwortung bewusstwerden, internalisierte Stereotypen hinterfragen und endlich entschieden gegen rassistische Strukturen und Denkmuster vorgehen. Hierfür ist es entscheidend, verschiedenen Perspektiven und Stimmen zuzuhören, um eine vielschichtige Erinnerungskultur zu schaffen, die den unterschiedlichen Wirklichkeiten, Erfahrungen und Betroffenheiten gerecht wird. Nur durch transparente Aufarbeitung und einen offenen Dialog können wir als Gesellschaft lernen, mit unserer Vergangenheit umzugehen und gemeinsam eine gerechtere und diskriminierungsärmere Zukunft zu gestalten.
Die koloniale Erinnerungspolitik in Deutschland wurde seit dem Ersten Weltkrieg maßgeblich von Kolonialrevisionist*innen beeinflusst. Die Erinnerung ist geprägt durch die Verklärung des Kolonialismus zum Zivilisations- und Modernisierungsprojekt, der Relativierung kolonialer Gräuel durch Vergleiche mit anderen Kolonialmächten oder die Legitimierung durch einzelne „unverdächtige Fürsprecher“. Besonders in Kolonialdenkmälern verdichtet sich Erinnerungspolitik in einem hohen Maße. Die seit mehr als zwei Jahrzehnten andauernde Debatte um die Kolonialdenkmäler im sogenannten „Tansania-Park“ verdeutlicht, wie sehr die deutsche Kolonialherrschaft auch heute noch verharmlost und verklärt wird.
Der „Tansania-Park“
Im sogenannten „Tansania-Park" in Hamburg-Jenfeld, einer verschlossenen Gartenanlage auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne, sind kolonialverherrlichende und ideologisch belastete Ehrendenkmäler aus der Zeit des Nationalsozialismus zu finden. Zu diesen Denkmälern gehören das "Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal" und das "Schutztruppen-Ehrenmal", beide erinnern an die deutschen Kolonialtruppen des Ersten Weltkriegs. Diese beiden hoch umstrittenen Kolonialdenkmäler haben in den letzten Jahrzehnten eine intensive Debatte über Hamburgs koloniale Vergangenheit entfacht und stehen dennoch bis heute im Hamburger Stadtbild.
Im Zuge der nationalsozialistischen Aufrüstung vor dem Zweiten Weltkrieg wurden viele neue Kasernen gebaut und nach sogenannten „Kolonialhelden“ benannt, so auch die Lettow-Vorbeck-Kaserne in Hamburg Jenfeld. Als Offizier nahm Paul von Lettow-Vorbeck an der Niederschlagung des „Boxeraufstandes“ und am Vernichtungskrieg gegen die Ovaherero und Nama in Deutsch-Südwestafrika teil bevor er 1913 Kommandeur der „Schutztruppe“ in „Deutsch-Ostafrika“ wurde. An den denkmalgeschützten Häuserfassaden der ehemaligen Mannschafts- und
Nach Rosa Jung: „Der Name „Tansania-Park“ ist kritisch zu betrachten, da er ohne Einbeziehung tansanischer Partner*innen oder Mitglieder der tansanischen Diaspora in Deutschland ausgewählt wurde und durch seinen kolonialen Bezug für Gegner*innen der Anlage eine Beleidigung darstellt. Im Folgenden wird er dennoch als Eigenname verwendet, um seinen Platz in der Debatte zu verdeutlichen.“
Offiziersunterkünfte (heute Wohnquartiere für Student*innen der Hamburg-Schmidt-Universität der Bundeswehr Hamburg) befinden sich bis heute Fassadenbüsten von ehemaligen Kolonialoffizieren. Neben Lettow-Vorbeck werden an den Häuserfassaden auch Kolonialverbrecher, wie Hermann von Wissmann und Lothar von Throtha geehrt. Seit Jahrzehnten stehen diese Terrakotta-Büsten massiv in der Kritik und Aktivist*innen versuchen vergeblich, eine Umgestaltung der den Kolonialismus glorifizierenden Gebäude zu erreichen. Im Kontext dieses Ensembles befindet sich nun also die Denkmalanlage „Tansania Park“.
Das „Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal“ und das „Schutztruppen-Ehrenmal“
Beim Betreten der Denkmalanlage wirkt sie wie eine schöne und gepflegte Parkanlage, nichts Außergewöhnliches. Doch sobald Besucher*innen ein paar Schritte weitergehen, taucht hinter großen Büschen das erste imposante Denkmal auf: das „Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal“, heute verharmlosend als „Askari-Reliefs“ bezeichnet. Es wurde am Eingang der Lettow-Vorbeck-Kaserne errichtet und 1939 feierlich eingeweiht. Es war das erste realisierte Denkmal, das Menschen afrikanischer Herkunft bildlich und derart exponiert darstellte, anstatt sie nur auf Gedenktafeln zu erwähnen. Das Denkmal besteht aus zwei circa drei Meter hohen halbplastischen Terrakotta-Reliefs, die an einer Wand aus Klinker angebracht sind und deutsche und afrikanische Soldatengruppen darstellen. Im ersten Relief werden vier afrikanische Träger von einem afrikanischen Soldaten, auch „Askari“ bezeichnet, mit geschultertem Gewehr angeführt. Die Träger sind einfach gekleidet, barfuß und tragen schwere Lasten und Munition auf ihren Köpfen. Sie wirken erschöpft, während sie in enger Formation marschieren und dem energisch voranschreitenden Soldaten folgen. Die Inschrift unter ihren Füßen lautet „Schutztruppe 1914-1918“. Das zweite Relief zeigt vier uniformierte afrikanische Soldaten mit geschulterten Gewehren, die von einem weißen deutschen Unteroffizier angeführt werden. Die Soldaten folgen dem Offizier mit entschlossenem Blick geordnet in Reih und Glied. Der Offizier hält inne, stützt sein Gewehr auf dem Boden ab und schaut mit einer geballten Faust auf dem Oberschenkel hinter sich zu den Soldaten. Seine Körperhaltung strahlt Aufmerksamkeit und Entschlossenheit aus. Auffällig ist, dass der Offizier mit seinem linken Fuß auf dem Fuß eines seiner Soldaten steht. Die Inschrift unter diesem Relief lautet „Deutsch-Ostafrika“.
Lässt man die Reliefs hinter sich, erblickt man das hochaufragende und adlerbewehrte „Schutztruppen-Ehrenmal“, das 1939 in der angrenzenden Von-Estorff-Kaserne eingeweiht wurde. Es besteht aus einer etwa zehn Meter hohen Stele aus Klinker, auf der ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln sitzt und ein Eisernes Kreuz mit seinen Krallen umklammert. An der Steinmauer am Fuß der Stele befinden sich fünf Keramik-Gedenktafeln für die gefallenen deutschen Soldaten und Askari in den deutschen Kolonien während des Ersten Weltkriegs. Die Inschriften auf den Gedenktafeln beginnen mit dem Satz "Es starben für ihr Vaterland 1914-1918" und listen die Verluste in den verschiedenen Kolonien auf, darunter Offiziere und Beamte, Unteroffiziere und Mannschaften sowie Askari. Auf der Tafel für Ostafrika werden sogar Hilfskrieger und Träger aufgeführt. Die fünfte Tafel wurde 1966 nachträglich hinzugefügt und ehrt die im Deutschen Afrika-Korps gefallenen Soldaten in Nordafrika im Zweiten Weltkrieg.
Die beiden Kolonialdenkmäler als Instrumente der NS-Propaganda
Die Reliefs vermitteln eine vermeintliche tiefe Verbundenheit und Kameradschaft zwischen deutschen und afrikanischen Soldaten im Ersten Weltkrieg und sollen eine Art Schicksalsgemeinschaft heraufbeschwören. Sie erwecken den Eindruck, die Feldzüge der Kolonialtruppen wären ein gemeinsames und kameradschaftliches Abenteuer gewesen, bei dem Deutsche und Askaris das gleiche Schicksal teilten. Die gemeinsame Nennung der Gefallenen am „Schutztruppen-Ehrenmal“ soll ebenfalls diese Einheit und ihren gemeinsamen Kampf für das „Vaterland“ verdeutlichen. Dieses idealisierte Bild der Einheit zwischen deutschen Offizieren und Askaris wurde gezielt gewählt, um der sogenannten „Kolonialschuldlüge“ entgegenzuwirken. Im Zuge des Versailler Vertrages wurde den Deutschen mit Übergabe der deutschen Kolonialgebiete die Fähigkeit zur „europäischen Zivilisationsmission“ abgesprochen. Der Mythos von der „Treue der Askari“, die bis zum Kriegsende und sogar darüber hinaus loyal zu den deutschen Offizieren geblieben waren, sollte als Gegenbeweis dienen und unterstützte somit kolonialrevisionistische Forderungen. Die Denkmäler verherrlichen die gefallenen Soldaten der deutschen Kolonialkriege als „Helden“ und glorifizieren die deutsche Kolonialherrschaft. Sie reduzieren die kolonialen Herrschaftsverhältnisse auf einen Mythos von bedingungsloser Treue und gemeinsam geteiltem Leid, um die Kolonialherrschaft nachträglich zu legitimieren. Darüber hinaus zielen die Denkmäler auch darauf ab, das deutsche Militär nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg zu rehabilitieren. Die Denkmäler fokussieren sich ausschließlich auf die Darstellung kolonialer Macht und versuchen, eine nostalgische und romantische Atmosphäre zu erzeugen, während die Opfer und Brutalität der Kolonialherrschaft ganz bewusst verschwiegen werden. Die Denkmäler verfolgen einen deutlichen kolonialrevisionistischen Anspruch.
Der „Askari-Mythos“ gilt bis heute als einer der bekanntesten Erinnerungstopoi der deutschen Kolonialgeschichte und ist Sinnbild kolonialrevisionistischer Argumentationen. Die angeblich grenzenlose Treue und Loyalität der Askari zu den Kolonialherren sollte die deutsche Kolonialherrschaft nachträglich legitimieren. Der Mythos basiert darauf, dass die deutsche Kolonialtruppe unter Kommandeur Lettow-Vorbeck in Ostafrika erst nach der Kapitulation der deutschen Truppen in Europa ihre Waffen niedergelegt hatte und afrikanische Soldaten bis nach Kriegsende in der deutschen Kolonialtruppe verblieben. Die Mehrheit von Letto-Vorbecks Soldaten waren Afrikaner, was als Beweis für die Fähigkeit der Deutschen zur Kolonisierung angesehen wurde. Die angebliche Unbesiegbarkeit der Askari wurde zum Spiegelbild der Dolchstoßlegende und stand für die „Kulturleistung“, die die Deutschen an ihnen vollbracht hätten.
Trotz der suggerierten Einheit und Verbundenheit zwischen den deutschen Schutztruppen und den afrikanischen Soldaten spiegeln sowohl die Reliefs als auch das „Schutztruppen-Ehrenmal“ gleichzeitig auch eine deutliche Hierarchisierung wider. Die Formation der Soldaten und die Aufzählung der Gefallenen nach Rang zeigen eine deutliche koloniale Hierarchisierung, bei der die Askari den deutschen Offizieren untergeordnet werden. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist auch der Stiefel des Offiziers auf dem Fuß des Askaris, der die Unterdrückung und ein klares Machtgefälle zwischen Kolonialisten und Kolonisierten illustriert.
Kolonialdenkmäler aus der NS-Zeit sind Instrumente der nationalsozialistischen Propaganda. Beide Denkmäler im „Tansania-Park“ waren Teil der moralischen Mobilmachung der Nationalsozialisten während der deutschen Aufrüstung ab Mitte der 1930er Jahre. Gerade die Reliefs vermitteln ein Bild von tapferen, wehrhaften und kriegerischen Kämpfern, die als Vorbild für deutsche Soldaten dienen sollten. Die heroische Legende des im Feld ungeschlagenen Lettow-Vorbeck und seinen Truppen sollte den eisernen Willen, die Tapferkeit und die Aufopferungsbereitschaft der Soldaten in den Kolonien symbolisieren und für junge Wehrmachtssoldaten als Leitbild fungieren. Gleichzeitig sollte dieses Bild auch die Stärke des Deutschen Reiches hervorheben. Die symbolische Erinnerung an militärische Feldzüge der Kolonialzeit wurde genutzt, um junge Soldaten zum Nationalstolz zu erziehen und sie auf Krieg und Militarismus einzuschwören. Die Wahl des Kasernengeländes als Standort für die Denkmäler deutet ebenfalls darauf hin, dass das „Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal“ und das „Schutztruppen-Ehrenmal“ vor allem einen militärischen Bezug erhalten sollten. Die thematische Integration der Denkmäler in das Gelände der Lettow-Vorbeck-Kaserne unterstreicht somit die Verbindung zwischen den Denkmälern und der militaristischen Ideologie des Nationalsozialismus.
Wie zuvor erläutert, ehren die beiden Denkmäler afrikanische Soldaten und anstelle von Abgrenzung wird Zugehörigkeit propagiert. Es stellt sich die Frage, inwiefern dies mit der nationalsozialistischen „Rassenideologie“ vereinbar war. Zur Beantwortung dieser Frage ist hervorzuheben, dass beide Denkmäler als aller erstes den „Askari-Mythos“ verbreiten wollen. Außerdem propagieren sie gleichzeitig auch die hierarchische Unterordnung der Afrikaner*innen gemäß der „Herrenmenschen-Ideologie“. Das vermittelte Bild beschränkt sich darauf, die afrikanischen Soldaten als treue Gefolgsleute und Diener der „weißen Herren“ darzustellen, anstatt sie als selbstbewusste oder eigenmächtige Krieger zu würdigen. Aus diesen Gründen stehen die beiden Denkmäler nicht, wie vielleicht zuerst vermutet, im Widerspruch zur NS-Ideologie, sondern fügen sich nahtlos in die Kriegspropaganda am Vorabend des Zweiten Weltkriegs ein.
Die mehrfach gescheiterte Eröffnung des „Tansania-Parks“
Der Prozess zur Schaffung des „Tansania-Parks“ auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Hamburg begann nach der Schließung der Kaserne im Jahr 1999. In den nächsten Jahren entwickelte sich eine intensive Debatte über das Konzept für die Gestaltung des Parks. Kritiker*innen forderten, dass der Park nur eröffnet werden dürfe, wenn er eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus und der nationalsozialistischen Expansionspolitik anrege. Im Jahr 2002 hatte der Kulturkreis Jenfeld e.V. das „Deutsch-Ostafrika-Kriegerdenkmal“ eigenmächtig neben dem „Schutztruppen-Ehrenmal“ aufstellen lassen. Aufgrund interner Uneinigkeiten des mit der Konzeption des Parks betrauten Kuratoriums und lautstarker Proteste wurde die offizielle Einweihung des Parks 2003 jedoch in letzter Minute abgesagt. Auch in den folgenden Jahren blieb der „Tansania-Park“ hoch umstritten und es wurden weitere Versuche unternommen, ein neues Konzept für die Denkmalanlage zu entwickeln, jedoch kam es aufgrund interner Uneinigkeiten und fehlender Unterstützung nie zu einer Umsetzung.
Bis heute ist das Tor zum Eingang des „Tansania-Parks“ verschlossen, wodurch der Öffentlichkeit der Zugang zum Park weitgehend verwehrt ist. Um die Denkmalanlage zu besuchen, müssen Interessierte einen Termin bei der Hamburger Kulturbehörde vereinbaren und dort den Schlüssel abholen. Dies führt dazu, dass nur Personen mit Kenntnissen über die Denkmäler und deren Standort Zugang erhalten. Eine breite gesellschaftliche Teilnahme an der Diskussion über die Denkmalanlage wird dadurch eingeschränkt. Hier setzt die Arbeit der „Tansania-Park-AG“ an.
Die „Tansania-Park-AG“ und die Zukunft der Denkmalanlage
Aktuell befasst sich die ehrenamtliche Arbeitsgruppe „Tansania-Park-AG“ mit der Frage, wie es in Zukunft mit dem „Tansania-Park“ weitergehen soll. Die AG möchte die Bewohner*innen des Stadtteils über den Park und dessen Bedeutung aufklären, Diskussionen über den zukünftigen Umgang mit dem Park zu führen und einen dauerhaften Austausch mit den Menschen in Tansania zu etablieren. Sie fungiert als Plattform für Austausch und Dialog und freut sich über jede Form der Beteiligung. Im Oktober 2023 veranstaltete die AG beispielsweise ein eigenes Symposium mit dem Ziel, die beiden Denkmäler in ihren historischen Kontext einzubetten und gleichzeitig für die tansanische Perspektive auf diesen Ort zu sensibilisieren. Während dieser Veranstaltung sprach auch Flower Manase (National Museum Tanzania). In ihrem Statement betonte sie, dass im „Tansania-Park“ die zahlreichen Opfer verschwiegen werden und übte gleichzeitig scharfe Kritik an den deutschen Kolonialtruppen und Askaris: „To me, colonial Askaris appear like the extremist groups of terrorists. But are we aware of what the German colonial army and the askaris did to african families when enforcing the colonial rule?“. Außerdem erinnert sie an Hamburgs Rolle während des Kolonialismus und fordert die Stadt auf, sich seiner Verantwortung zu stellen: „Hamburg, they have the opportunity now to discuss about colonial history. It´s a burden that is coming maybe with a kind of regret, shame, guilt, but it´s a process as well where people need to process all these feelings, the discussions, the emotions and in the end they need to grow into the debates so they can make concrete decisions and output into their colonial history, monuments and heritage.“
Aktuell bietet die Arbeitsgruppe als Vermittlungsformat angeleitete Rap-Führungen durch den Park an.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beiden im „Tansania-Park“ befindlichen Denkmäler eine bildgewaltige und eindrucksvolle Präsenz ausstrahlen und eine tiefgreifende Symbolik besitzen. Es ist daher von großer Bedeutung, den Park nicht ohne eine angemessene Einordnung der Denkmäler der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Öffnung des Parks ohne angemessene Kontextualisierung birgt das Risiko, die Botschaft der Denkmäler zu verherrlichen, deren ideologische Narrative weiterzutragen und weiterhin prokoloniale Erinnerungen zu vermitteln. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte und Bedeutung dieser Denkmäler ist unerlässlich, um ein umfassendes Verständnis zu fördern und eine reflektierte Diskussion über sie zu ermöglichen. Nur so kann eine authentische Erinnerungskultur geschaffen werden, die Raum für verschiedene Perspektiven bietet und zur Versöhnung beiträgt. Es bleibt abzuwarten, wie genau dieser Prozess sich gestalten wird. Auf jeden Fall aber leistet die „Tansania-Park-AG“ einen wichtigen Beitrag, um das Potenzial des Parks als ein postkolonialer Ort des Lernens, Erinnerns und Gedenkens für die Öffentlichkeit zu erschließen.
Quellen:
Boieck, Melanie: Dissertation „‚Heia Safari‘ in der Hafen-City - (Post-)Koloniales Erinnerungsbewusstsein in Hamburg“, Hamburg 2018.
Eckert, Andreas: „Die Berliner Afrika-Konferenz (1884/85)“, in: Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Bonn 2013, S. 137-149.
Jung, Rosa: Bachelorarbeit „Postkoloniale Erinnerung: Zur Aushandlung des kulturellen Gedächtnisses am Beispiel der kolonialen Denkmalanlage auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Hamburg-Jenfeld“, Hamburg 2021.
Kößler, Reinhart und Henning Melber: „Vergangenes in der Gegenwart. Kontinuitäten des Deutschen Kolonialismus“ iz3w 257 (März 2004), S. S. 22-26
Michels, Eckard: „Paul von Lettow-Vorbeck“, in: Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Bonn 2013, S. 373-386.
Michels, Stefanie: „Der Askari“, in: Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Bonn 2013, S. 294-310.
Möhle, Heiko: „Gedenken um zu vergessen. Vergangenheitspolitik am Beispiel des »Tansania-Parks«“ iz3w 257 (März 2004), S. 34-37.
Musik aus Jenfeld: „Der Tansania Park in Jenfeld - eine Annäherung (Kurz-Dokumentation)“ https://www.youtube.com/watch?v=EiH9iGeEcQQ
Speitkamp, Winfried: „Kolonialdenkmäler“, in: Jürgen Zimmerer (Hrsg.): Kein Platz an der Sonne. Erinnerungsorte der deutschen Kolonialgeschichte, Bonn 2013, S. 409-423.
Uka, Verena: „Verklärung in Terrakotta: Die visuelle Botschaft der »Askari-Reliefs«“ iz3w 257 (März 2004), S. 36-37.
Zeller, Joachim: „(Post-)Koloniale Gedächtnistopografien in Deutschland. Möglichkeiten und Grenzen einer „Dekolonisation der Kolonisierer“, in: Marianne Bechhaus-Gerst und Joachim Zeller (Hrsg.): Deutschland Postkolonial? Die Gegenwart der Imperialen Vergangenheit, Berlin 2018, S. 336-365.